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THESSALONIKI - Kirche Osios David - Ein frühchristliches Apsismosaik - UNESCO

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2017-10-19 2017-10-19 19.10.2017

Die kleine einstige Klosterkirche Osios David (Ναός του Οσίου Δαυίδ, Μονή Λατόμου) liegt am Berghang unterhalb der Akropolis in der Oberstadt von Thessaloniki und ist ein bedeutender frühchristlicher Kirchenbau. Sein erhaltenes Apsismosaik ist für die Forschung von größter Bedeutung, weil es zu den wenigen erhaltenen Mosaikbildern der Frühzeit gehört, die den späteren Bilderstreit des 8. / 9. Jhs. überstanden haben. Allerdings, so müssen wir einschränkend bemerken, ist die Weihung an Osios David recht willkürlich und geht auf das Jahr 1921 zurück, als der in der Osmanenzeit in eine Moschee verwandelte Bau wieder christlich wurde. Die kleine Kirche war einst das Katholikon des Latomos-Klosters, dessen Beiname „Latomou“ von den nahe gelegenen Steinbrüchen abzuleiten ist.

Die kleine Kirche ist ein quadratischer Bau mit einer halbkreisförmigen Apsis im Osten. In das Quadrat war einst ein griechisches Kreuz eingeschrieben. Die Kreuzarme waren mit Tonnengewölben gedeckt, die Vierung mit einer flachen Kuppel und „die Eckräume mit einer Art Kreuzgewölbe“. Beleuchtet wird der Bau, von dem jetzt der Westteil fehlt, durch die Zwillingsfenster in den Schildwänden der Kreuzarme und der Altarapsis. In einem Bericht aus dem ausgehenden 9. Jh., der vom Abt des Akapníu-Klosters in Thessaloniki mit Namen Ignatius verfasst wurde, heißt es, Theodora, die Tochter des Kaisers Maximianus, die eine Anhängerin des Christentums gewesen sei, habe die Kirche gegründet und auch das Mosaik gestiftet. Der etwas legendär klingende Bericht erwähnt auch, dass Theodora „dem Bau zur Tarnung die Form eines Bades“ gegeben habe und dass „sie gezwungen gewesen (sei), das Mosaik mit Rindsleder und einer Mörtelschicht zu verdecken“, um vom Christlichen abzulenken. Letzteres wird sich aber weniger auf die Gründungszeit der Kirche beziehen, vielmehr wohl auf die Verbergung des Mosaiks während der Zeit des Bilderstreits. Auf alle Fälle hat das großartige Apsismosaik mit der Darstellung des jugendlichen Christus in der Gloriole die Zeit des Bilderstreits schadlos überstanden und ist heute ein wichtiger Zeitzeuge des frühen Christentums.

Das Mosaik nimmt die Halbkuppel der Apsis ein und zeigt den jugendlich bartlosen Christus auf einem Regenbogen thronend. Er ist innerhalb einer großen, kreisrunden und lichten Gloriole mit einem goldenen Kreuznimbus dargestellt, hat seine Rechte erhoben und hält in seiner Linken die geöffnete Buchrolle, worauf ein geschriebener Text in griechischer Sprache mit den Worten des Jesaja (25, 9) erscheint. Diese Worte auf der Schriftrolle sollen „den Sinn der Darstellung (verkünden), der in der Rettung der Menschen und in der Wiederkunft Christi liegt“. Kopf, Hände und Füße des jugendlichen Christus sind plastisch formuliert, ansonsten wird sein Körper von faltenreicher Gewandung umhüllt. Das Antlitz ist schematisch gestaltet, das Verhältnis von großen Augen, überhöht gestalteten Augenbrauen und geradliniger Nase sowie relativ kleinem Mund ist deutlich erkennbar. Christus ist bartlos, sein Haupthaar ist in der Mitte gescheitelt und fällt lang auf die Schulter und in den Nacken herab. Das blaue Himation umhüllt faltenreich seinen Körper, erlaubt aber durch die Handbewegung seiner erhobenen Rechten einen Blick auf das rote Untergewand mit Goldborten. Auffallend sind bei der Figur des auf dem Regenbogen thronenden Christus die genaue Farbskala, deren „drei Farben (…) einen Hinweis (geben) auf die Dreifaltigkeit (Trinität), die bei Matthäus überliefert ist: » … Taufet sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.« (Matthäus 28, 19). Dabei zeigt der jugendliche Christus noch nicht den Segensgestus mit seiner erhobenen Rechten, sondern streckt seine Rechte vielmehr „wie ein römischer Imperator in die Höhe“². Auffallend ist des Weiteren die Verwendung von feinen Tesserae, welche die Mosaizisten hier verarbeiteten. So ergibt sich ein Christusbild, das ein wenig an das Mosaik mit der Darstellung des Vergil zwischen zwei Musen im Musée National du Bardo in Tunis³ aus dem 2. Jh. n. Chr. erinnert und somit deutlich macht, dass das Apsismosaik in Osios David die antike Mosaiktradition auch im frühen Christentum fortleben lässt. Zudem wählte der Mosaizist bewusst und geschickt das Sitzmotiv, um zum einen die Bedeutung des Dargestellten hervorzuheben und zum anderen durch die leichte Schrägstellung eine gewisse Räumlichkeit in dieses Mosaikbild zu bringen. Zugleich können wir auch hierin das Fortleben einer antiken Formensprache erkennen, die durch den Aufbau der Christusfigur ausgedrückt ist. Unter den Füßen des thronenden Christus münden sodann die vier Paradiesströme Phison, Geon, Tigris und Euphrat in den sich am unteren Bildrand ausbreitenden Jordan. In den Fluten dieses Flusses schwimmen einerseits bunte Fische, andererseits ist in ihm die Gestalt eines alten Mannes zu erkennen, der als Personifikation des Flussgottes zu interpretieren ist und von dem Mosaizisten nach dem Vorbild hellenistischer Flussgötter gestaltet wurde. Damit greift der Mosaizist wiederum ein antikes Motiv auf und fügt es geschickt in sein Landschaftsbild ein. Die Gloriole, in deren Zentrum Christus auf dem Regenbogen thront, wird von einem Engel, einem Adler, einem Löwen und einem Stier umgeben. Alle Figuren sind sehr plastisch und ausdrucksstark formuliert und halten je ein geschlossenes, außen mit Diamanten besetztes Buch. Somit sind sie als Symbole der Evangelisten Matthäus, Johannes, Markus und Lukas zu verstehen oder, wie es Klaus Gallas formuliert: „Matthäus als Engel steht für das menschengesichtige Wesen, Lukas als Stier für das Opfer, Markus als Löwe für Auferstehung und Johannes als Adler für die Himmelfahrt.“ Sowohl die Christusfigur als auch die Symbole der Evangelisten lassen Plastizität allein in der beschriebenen Wiedergabe des Kopfes, der Hände und Füße bei Christus und auch im statuarischen Aufbau der Körper der Evangelistensymbole klar erkennen. Also können wir sagen, dass das Statuarische im Vordergrund dieser Bildkomposition steht und somit ganz klar eine antike Formensprache in diesem Apsismosaik zum Ausdruck kommt, das an die frühen Götterbilder Griechenlands erinnert. Alles in allem ist eine Symbolsprache erkennbar, die „den neuen Bund, den Gott mit den Menschen geschlossen hat“, sichtbar machen soll.

Umgeben ist dieses zentrale Bild des jugendlichen Christus auf dem Regenbogen in der Gloriole von zwei ausdrucksstarken, sehr plastisch formulierten Figurenbildern, deren Blickrichtung auf das Zentrum gerichtet ist und die in gewisser Weise antithetisch einander gegenübergestellt sind. Auf der einen Seite ist dies der Prophet Ezechiel, „einer der drei großen Schriftpropheten“ und Sohn eines Priesters, der „zur ersten Gruppe der 598 v. Chr. unter König Nebukadnezar II. nach Babylon verschleppten Israeliten (gehörte)“⁴. Er ist in leicht nach vorn gebeugter Haltung und zugleich in faltenreicher Gewandung wiedergegeben. Nach Klaus Gallas ist „Ezechiel in gespannter, horchender Stellung (dargestellt), um die Gottesschau als Vision des Kosmos zu empfangen (Ezechiel 1, 4-28 und 10, 1-21)“. Der Byzantinologe Klaus Wessel drückt es ein wenig anders aus und formuliert: „Seitlich, in zerschrundener, schollig sich türmender Berglandschaft steht links Ezechiel, dessen Vision vom Gotteswagen hier gemeint ist, in der Haltung gespannten Horchens, den Worten Christi lauschend.“⁵ Dem Ezechiel gegenüber ist auf der Gegenseite eine weitere, ebenfalls reich gewandete und bärtige Person dargestellt, diesmal allerdings sitzend. Sie hat die Beine übereinandergeschlagen und den Oberkörper leicht nach vorn gebeugt, sodass eine leichte Körperdrehung entsteht. Diese Person ist gleichfalls sehr plastisch formuliert, was man an ihrer rechten, zum Kinn geführten Hand, am bärtigen Kopf in Frontalansicht und an ihren Füßen ablesen kann. In ihrer Linken hält sie ein geöffnetes Buch, während ihre rechte, ans Kinn geführte Hand wohl seine nachdenkliche Haltung unterstreichen soll. Diese sitzende Figur wird von vielen Forschern wohl zu Recht als Habakuk interpretiert, also als jenen Propheten, dessen Wirken „aufgrund sprachlicher und inhaltlicher Indizien auf etwa 630 v. Chr. datiert (wird)“⁶. Hierzu bemerkt Klaus Wessel zu Recht: „Diese Prophetenvision, bis ins späte 14. Jahrhundert immer wieder einmal als Motiv gewählt, ist scharf konturiert, arbeitet kaum mit Licht und Schatten, nimmt es mit den Proportionen wenig genau, zeichnet die Falten, besonders bei Habakuk, ganz unrealistisch und schematisch, ist in der Farbwahl zurückhaltend und sparsam.“ Beeindruckend ist auch hier die in den Personenabbildungen zutage tretende Formensprache, worin die Antike wieder lebendig wird. Außerdem sind die beiden Propheten voll und ganz in das Bild der sie auf beiden Seiten umgebenden Hügellandschaft eingepasst und darüber hinaus sogar in die Bewegungsrichtung der Apsis.

Wie E. Kourkoutidou-Nikolaidoi und A. Tourta feststellen, liegt die Qualität dieses Mosaikbildes mit Sicherheit im „Glanz seiner reichen Farbskala“, seiner „Geistigkeit“ und seines „Realismus, besonders in den Tierdarstellungen“, außerdem in der „naturalistischen Landschaftswiedergabe, die der antiken griechisch-römischen Auffassung sehr nahe steht“. Somit haben wir ein wichtiges Mosaikwerk aus der Wende vom 5. zum 6. Jh. n. Chr. vor Augen und eines der wenigen erhaltenen Mosaikbeispiele aus der Zeit des frühen Christentums, die nicht der Zerstörungswut der Bilderstürmer des 8. / 9. Jhs. zum Opfer gefallen sind. Das Apsismosaik in Osios David ist zweifelsfrei ein Höhepunkt der frühchristlichen Mosaikkunst. Es kann zum einen mit dem Goldmosaik in der Apsis der kleinen Panagia Angeloktistos-Kirche⁷ im Dorf Kiti bei Larnaka auf Zypern verglichen werden, worauf die Gottesmutter mit Kind zwischen den Erzengeln dargestellt ist. Auch dieses Mosaik ist an der Wende vom 5. Jh. zum 6. Jh. n. Chr. entstanden und zeigt einen ähnlichen Figurenstil. Blicken wir nach Ravenna, dem wichtigen frühchristlichen Zentrum des 4.-6. Jhs. n. Chr., so finden wir in der Apsis der Basilika San Vitale⁸ gleichfalls eine Darstellung des jugendlichen, bartlosen Christus, diesmal als Pantokrator auf der Himmelskugel thronend und umgeben von zwei Engeln sowie dem hl. Vitalis, dem „Patronatsheiligen der Kirche“ auf der einen Seite, und dem Bischof Ecclesius mit dem Kirchenmodell, dem Gründer der Kirche, auf der anderen Seite. Auch präsentieren sich die abgebildeten Figuren in einem Stil, der jenem in Thessaloniki durchaus ähnlich ist und somit den Zeitgeist verrät. Auf jeden Fall haben wir hier drei wichtige Mosaikbilder der frühchristlichen Zeit vor Augen, die den Bildersturm überstanden und heute bedeutende Vertreter der frühchristlichen Mosaikkunst sind.

Anmerkungen

  1. E. Kourkoutidou-Nikolaidou / A. Tourta, Spaziergänge durch das byzantinische Thessaloniki, 1997, 91 ff. Abb. 101-107. 
  2. K. Gallas, Byzantinisches Griechenland. Festland – Inselwelt – Zypern, Dortmund 1993 (= Die bibliophilen Taschenbücher 675), 42 f. Farbabb.
  3. Tunis, Musée national du Bardo Inv. 19248. Mosaik: Vergil zwischen zwei Musen. http://arachne.uni-koeln.de/entity/1248313. 
  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Ezechiel.
  5. K. Wessel, Byzanz, München 1979, 29.
  6. https://de.wikipedia.org/wiki/Habakuk.
  7. Kiti bei Larnaka (Zypern): Kirche der Panagia Angeloktistos-Kirche. Goldmosaik in der Altarapsis. Gottesmutter mit Jesuskind auf dem Arm zwischen den Erzengeln. Wende vom 5. Jh. zum 6. Jh. n. Chr. E. Hein / A. Jakovlevic / B. Kleidt, Zypern – Byzantinische Kirchen und Klöster. Mosaiken und Fresken, Ratingen 1996, 49-51. D. Korol, Die spätantik-christlichen Wand- und Gewölbemosaiken Zyperns(5.-7. Jh.) und ihre neuere Geschichte, in: S. Rogge (Hrsg.), Zypern. Insel im Brennpunkt der Kulturen, Münster / New York / München / Berlin 2000, 159 ff., bes. 173-175, worin der Autor zur Datierung bemerkt, das Goldmosaik könne frühestens in der 2. H. des 6. Jhs. n. Chr. entstanden sein. Er schließt allerdings auch eine Zuweisung in die 1. H. des 7. Jhs. n. Chr. nicht aus. Diese Datierung scheint mir jedoch zu spät.
  8. Ravenna, San Vitale: Apsismosaik mit jugendlichem Christus mit Schriftrolle und Diadem in Händen. C. Jäggi, Ravenna. Kunst und Kultur einer spätantiken Residenzstadt. Die Bauten und Mosaiken des 5. und 6. Jahrhunderts, Regensburg 2013, 238 ff. Abb. 156 ff. (mit Lit.).